Erinnerungen an meine Kindheit auf „Buschberg“

Erwin Kreusch

Teil 1

In diesen Zeiten der Pandemie, in der man dazu verpflichtet ist, sich mehr als sonst in seinen eigenen vier Wänden aufzuhalten, denkt man über Vieles nach. So sind mir, da ich nun mal so langsam auf die 70 zugehe, Gedanken und Erinnerungen an meine Kindheit gekommen. Besonders, wenn einem bewusst wird, wie sich im Laufe eines Lebens doch sehr viel verändert hat.

Jahrgang 1953, acht Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges, wurde ich am 2. März in Eupen geboren. Ich hatte schon einen älteren Bruder und zwei Jahre nach mir wurde meine Schwester geboren. Schon zu dieser Zeit lebten wir im Elternhaus meiner Mutter, einem Bauernhof, Buschbergerweg 62, welcher vor einigen Jahren einem großen Wohnkomplex gewichen ist. Ihr Vater Peter Deutz, geboren zu Aachen, hatte den Hof an seine älteste Tochter Maria und ihren Ehemann, Leo Cormann, übergeben. So bewohnten wir zu zwei Familien das Haus. Eng war es schon, denn außer getrennten Küchen, Wohnzimmern und Eltern­schlafzimmern, mussten wir Jungen mit unseren vier Vettern die Schlafzimmer teilen. Heute kaum noch vorstellbar.

Geschwister Kreusch auf der Kuhwiese

Mein Vater, Ernst Kreusch, hatte einige Jahre nach Kriegsende und nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft in Knutsford/England damit begonnen, eine Geflügelzucht aufzubauen. Meine Mutter, Therese geb. Deutz, war, wie früher üblich, Hausfrau und mithelfende Ehegattin.

 

An die ersten Jahre kann ich mich natürlich nicht mehr erinnern. Einen Kindergarten habe ich nie besucht, da dies in früheren Zeiten nicht immer üblich war. Gespielt wurde im Haus, doch so oft es eben möglich war, an der frischen Luft. Ich kann mich noch an mein Dreirad und unser altes Tretauto erinnern. Auch hatten wir Kinder einen großen Sandkasten. Mit sechs Jahren begann dann der Ernst des Lebens. In der Dorfschule, welche damals nur aus dem Altbau bestand, war im ersten Schuljahr unser Lehrer Herr ZANDER (Zanter?). Er war immer schwarz gekleidet, hatte ein schwarzes Fahrrad und eine Geige. Seine Künste gab er hin und wieder zum Besten. Zur Schule gingen wir bei jedem Wetter zu Fuß. Ich kann mich an Winter erinnern, wo wir Kinder im Berg Höhlen im Schnee gebaut haben. Die Strasse war noch nicht befestigt und eher ein Dreckweg. In jeder Mittagspause kehrten wir nach Hause zurück. Im darauffolgenden 2. Schuljahr war unser Lehrer Herr Flas aus Baelen. Er war ein großer, hagerer Mann und ich glaube mich zu erinnern, dass er sehr streng war. Gelegentlich machte die Klasse eine Wanderung in den Kettenisser Wald „Am Busch“. Deutsche Volkslieder wurden gesungen. So etwas sieht man heute nur noch in alten Heimatfilmen.

Geschwister Kreusch mit Mama am Sandkasten

Robert und Erwin mit Eltern

In unserer Freizeit spielten wir mit unseren Nachbarskindern. Ob auf der Strasse, auf der Wiese oder in den Heuställen, es war immer was los. Auch verbrachten wir viel Zeit an den Weihern, wo geangelt und geschwommen wurde. Heute würde vermutlich selten ein Kind noch zum Baden in einen Weiher springen. Zweimal habe ich mir Schnittwunden an den Beinen zugezogen, welche im Eupener Krankenhaus genäht werden mussten. Ich kann mich erinnern, dass wir an dem Überlauf zwischen den beiden Weihern unter der Strasse oft Salamander gefangen und auch wieder frei gelassen haben. Wenn es Zeit wurde nach Hause zu gehen und unsere Mutter uns oft laut rufen musste, kamen wir fast immer schmutzig und abgekämpft zurück. Bei Schnee uns Eis gingen wir rodeln oder machten mitten auf der Strasse eine Rutschbahn. Autos gaben es noch nicht viele zu der Zeit. Wenn wir uns abends fröstelnd ins Bett legten, brachte uns Mutter immer ein heißes Bügeleisen in ein Handtuch gewickelt und legte es uns an die Füße. Es war manchmal so kalt, dass sich Eisblumen an den Fensterscheiben bildeten. Unsere Mutter hatte, neben der Arbeit für die Farm, noch den Haushalt und uns Kinder zu versorgen. Wie beschwerlich die Hausarbeit in früheren Zeiten war, kann wohl jeder in unserem Alter nachvollziehen. Alleine das Waschen erforderte einen vollen Wochentag. Teilweise wurde die Wäsche noch auf dem Waschbrett „geschrubbt“. Wir Kinder wurden samstags im späten Nachmittag in einer „Zinkbütt“ auf dem Küchentisch gebadet, ansonsten wurde sich nur am Becken gewaschen. Das war für mich immer der schönste Abend der Woche: Im Radio liefen alte Schlager. Mutter setzte den Sonntagsbraten auf und wir Kinder wurden in den Pyjama gesteckt und machten es uns gemütlich. Der Duft zieht noch heute in meine Nase, wenn ich daran zurückdenke. Dann gab es meistens Bratkartoffeln oder aufgewärmtes Kartoffelpüree mit Spiegelei oder Makkaroni mit eingemachten Pflaumen. Gekocht wurde auf einer alten „Fourneuse“. Erst später dann auf einem Gasherd.

 

Wenn wir im Nachmittag aus der Schule kamen, gab es immer ein Butterbrot mit Kompott, „Makkei“ oder Marmelade, selbst gemacht natürlich. Mein Lieblingsgericht war aber Reibekuchen, da konnte ich nicht genug von essen. Ich denke heute noch liebevoll an unsere Mutter zurück. Sie war herzensgut und immer für uns da. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie mal laut geschimpft oder geschrieen hat. Wenn wir grinsten, musste sie am Ende immer mitlachen.

 

Teil 2 folgt

Therese Kreusch-Deutz 70. Geburtstag mit Bild vom alten Bauernhaus auf Buschberg